Near Future-SF mit autobiografischen Anklängen

Von mir mit ChatGPT bearbeitetes Foto der Wuppertaler Schwebebahn von Willian Matiola auf Pexels: Link

Ich habe letztens eine Near-Future-SF Kurzgeschichte mit autobiografischen Anklängen geschrieben. Da der Protagonist mein Geburtsjahr hat und auch in Wuppertal lebt, konnte ich den Charakter mit “echten” Lebensdetails anreichern – und das gibt der Geschichte mehr Realismus, Tiefe und hoffentlich “Wahrhaftigkeit”.

Er verschloss den Modellkleber und legte das unfertige Flugzeug-Modell einer Lockheed Fairchild A-10A vorsichtig in die Mitte des Küchentisches. So ein Ding war 1988 in der Nachbarstadt Remscheid abgestürzt, doch daran konnte sich außer Robert niemand mehr erinnern. (...)
Seine HazMat-Regenjacke ging ihm bis zu den Knien. Die Maske war noch zu 44 % geladen, das sollte genügen. Sie saugte sich an seinem Gesicht fest wie eine Molluske.
— Kurzgeschichte "Uncanny Valley"

Das war damals eine ziemlich große Sache, als in der Stockder Straße in Remscheid eine Fairchild A-10A abstürzte (Wikipedia). Ich war mitten in der Ausbildung zum Bürokaufmannsgehilfen und das Ganze passierte nur 15 km von meinem damaligen Wohnort Radevormwald entfernt. Die Fairchild A-10A, die auch “Warzenschwein” genannt wurde (weil sie so hübsch ist) hatte ich als Teenager tatsächlich mal als Revell-Modell gebaut und bemalt.

Robert betrat das KRULL, das wie erwartet gut besucht war. Das Interieur machte einen rustikalen Eindruck, doch alle Holzflächen waren gedruckt, nur das Efeu war echt. (...) [Bei dem] Tagesgericht (...) handelte sich um Zellkultur-Seezunge mit Lab-grown Gemüse-Püree und als Beilage gab es fermentierte Sojabohnen. Der Name KRULL war ein Akronym, es stand für »Kulinarik Revolution Underground Labs Ltd.« Es existierte ein Fantasy-Film von 1983 der genau so hieß, aber an den konnte sich nur noch Robert erinnern. Er hatte ihn seinerzeit im Kino gesehen, doch die Handlung war ihm gänzlich entfallen.
— Kurzgeschichte "Uncanny Valley"

Tatsächlich habe ich den Film “Krull” (Wikipedia) seit 1983 nicht mehr gesehen und nun ja: Kann sich im dritten Jahrtausend ernstlich noch jemand an die Handlung dieses Machwerks erinnern? Ich fürchte, TV Spielfilm urteilt zurecht: “… Tricks und Masken erinnern an trashige „Herkules“-Filme, nur fehlt deren unfreiwilliger Witz.“

Das Aroma des Fischs, die butterweiche Konsistenz, die subtilen Gewürze – all das verband ihn für einen Augenblick mit einer Zeit, als die Welt noch voller Wunder und Versprechen gewesen war. Unwillkürlich fand er sich zurückversetzt nach Lanzarote, Puerto del Carmen, er war zarte 18 Jahre alt. Damals hatte er in einem Restaurant namens ›El Golfo‹ auf der Terrasse mit einem Freund Michael Seezunge in Knoblauchöl gegessen. Sie hatten sich mit Halbliterkrügen ›Tropical‹-Bier zugeprostet, während der Sommerabend lau war und der Himmel noch nicht ganz schwarz. Sterne glitzerten bereits an den Rändern des schnell verblassenden Tages. In der Ferne rauschte das Meer, und der fossile Straßenverkehr trug seinen Teil zur Geräuschkulisse bei. Aus jedem zehnten Auto erklangen die Pet Shop Boys mit »Always on My Mind«, Rick Astley mit »Together Forever« oder Ofra Haza mit »Im Nin’Alu«. Passanten und Gäste lachten, führten richtige Gespräche und sahen mit ihren eigenen Augen, hörten mit ihren eigenen Ohren.
— Kurzgeschichte "Uncanny Valley"

So hat es sich zugetragen.
Und nachdem ich im Juli 2025 mein Instagram vom iPhone löschen musste, da drei Stunden Doomscrolling pro Tag zu absolut nichts führten als schlechter Laune, kann ich mit Fug und Recht behaupten, dass “früher” nicht alles schlechter war. Der beste Nebeneffekt: Ich habe sofort wieder angefangen zu schreiben.

Scheut euch nicht davor, Geschichten mit realen Erlebnissen anzureichern. Wenn potentielle Leser:innen spüren, dass es wahrhaftig ist, dann zieht es den Rest der Handlung vielleicht mit und erzeugt die Art von “Wirklichkeit”, die ihr als Autor transportieren möchtet.

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